Jubiläumsstudie STEINE | ERDEN | KERAMIK

NACHHALTIG & ZUKUNFTSSICHER: ATTRAKTIVER ARBEITGEBER STEINE | ERDEN | KERAMIK Zuzana Blazek Filiz Koneberg Robert Köppen Judith Lehr Sibylle Stippler Seit 75 Jahren Jubiläumsstudie

2 | Inhalt Inhalt Vorwort 1 | Ausgangslage in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche Fachkräftemangel in der Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK 2 | Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist Was ist eigentlich Nachhaltigkeit? Gesellschaftlicher Wertewandel Jobsicherheit, ein wichtiges Attraktivitätsmerkmal Stark für Klimaschutz: Stimmen aus der Branche 3 | Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke mit Praxistipps In drei Schritten zur Arbeitgebermarke Employer Branding am Puls der Zeit 4 | Praxisbeispiele aus der Branche 5 | Historie 6 | Literaturverzeichnis 3 6 8 16 17 20 23 25 28 32 41 48 68 72 Zementwerk, Foto: Dyckerhoff GmbH

Dr. Matthias Schlotmann, Christian Rinn und Heike Horn (v.l.n.r.) Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 3 Nach dem Krieg lag Deutschland in Schutt und Asche! Für einen erfolgreichen und schnellen Wiederaufbau mussten die Allliierten die erforderlichen Strukturen schaffen. Auch die Lohnfindung musste in diesem Rahmen als ein grundlegendes Ordnungselement in geregelte Bahnen gelenkt werden. Nach der Gründung der Landesbaugewerkschaften 1946/1947 und der IG Bergbau 1946 wurde auch der Zusammenschluss von Unternehmen in Arbeitgeberverbänden erlaubt. Dies war die Basis für die Gründung unserer Organisationen 1947 und 1948. Seitdem engagieren sich unsere Arbeitgeberverbände für die Bewahrung des sozialen Friedens und unterstützen die Mitgliedsunternehmen bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen. Seit jeher stehen die Tarifbindung und die umfassende arbeitsrechtliche Beratung im Mittelpunkt unserer Aufgaben. In zahlreichen Tarifverhandlungen wurden für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen vertretbare Lösungen gesucht und zumeist gefunden. In der Geschichte unserer Verbände gab es erfreulicherweise nur wenige Arbeitskämpfe. Vorwort Liebe Mitglieder und Geschäftsfreunde, liebe Leserinnen und Leser!

4 | Vorwort Um auch den Firmen eine Unternehmensheimat zu geben, die eine kompetente arbeitsrechtliche Betreuung ohne Bindung an einen Flächentarifvertrag anstreben, wurde 1996 der Verband Baustoffe und Dienstleistungen gegründet. Seit 2017 arbeiten unsere drei Verbände eng zusammen, auch mit den Wirtschaftsverbänden Hessenbeton und BKRI. Wir kooperieren als eine Einheit! Seit 75 Jahren stehen die Arbeitgeberverbände ihren Mitgliedsunternehmen bei allen Herausforderungen mit Rat und Tat zur Seite. Die interessante Historie haben wir in unserem Zeitstrahl am Ende dieser Jubiläumsbroschüre kurz dargestellt. Gerade die letzten Jahre haben unseren Unternehmen und unseren Verbänden viel abverlangt. Die weltweite Corona-Pandemie, der immer stärker zunehmende Fachkräftemangel, die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen und jetzt auch noch ein Krieg in Europa setzen uns allen sehr zu und werden noch lange unseren höchsten Einsatz erfordern. Im Verlauf vieler Jahre haben wir unser Tun und unsere Aktivitäten immer mit Erfolg an die neuen Anforderungen angepasst – sachkundig, ideenreich und aufgeschlossen für Neuerungen. Mit der gleichen Entschlossenheit nehmen wir auch die aktuellen Herausforderungen an. Drei dieser sehr aktuellen Problemstellungen hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in der vorliegenden Jubiläumsstudie daher konkreter untersucht: Fachkräftemangel, Arbeitgeberattraktivität und Nachhaltigkeit. Die Sicherung unserer Lebensgrundlage und der Umweltschutz sind Fundamente und wesentlicher Antrieb unserer Tätigkeit. Nachhaltigkeit ist auch für viele Arbeitnehmer ein wichtiges Element bei der Wahl des Arbeitgebers – genauso wie die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Beides bietet unsere Branche STEINE I ERDEN I KERAMIK seit Langem. Zahlreiche musterhaft realisierte Projekte unserer Rohstoffbetriebe im Sektor Natur- und Landschaftsschutz und im Sozialen bestätigen diese Aussage. Unsere energieintensiven Branchen Kalk, Zement, Feuerfest und Keramik haben langfristige Pläne für die Dekarbonisierung ihrer Produktion. Wir arbeiten intensiv an technischen Neuerungen, mit denen wir uns auf die Zukunft vorbereiten und sorgen für sichere Arbeitsplätze. Wir sind attraktive Arbeitgeber und begegnen mit Zuversicht den künftigen Herausforderungen. Ihnen, unseren Mitgliedsunternehmen, sprechen wir unseren Dank aus für Ihre Treue und engagierte Mitarbeit. Nicht selten besteht Ihre Mitgliedschaft generationenübergreifend schon seit vielen Jahren. Wir werden Ihnen auch zukünftig tatkräftig zur Seite stehen! Wir grüßen Sie herzlich, Ihre Vorsitzender Arbeitgeberverband Steine und Erden Hessen und Thüringen e. V. Christian Rinn Heike Horn Vorsitzende Rheinscher Unternehmerverband Steine und Erden e. V. Geschäftsführer der Verbände Dr. Matthias Schlotmann

Tontagebau, Foto: BKRI Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 5

Kaskadenabsorber, Foto: Steuler Holding GmbH 6 | Ausgangslage in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche

Im Jahresdurchschnitt 2021/2022 fehlen rund 55.960 Fachkräfte der auch in der Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK relevanten Berufe. Branchen- übergreifendes Problem: • Die Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK steht vor vielen Herausforderungen: Energiekrise, Klimakrise, Pandemie und Fachkräftemangel setzen die Branche unter Druck. Der Arbeitsmarkt wandelt sich mit dem Fachkräftemangel immer stärker zum Bewerbermarkt. Dies erfordert ein Umdenken in der Personalarbeit. • Fachkräftemangel in den Berufen der Branche nach der Pandemie besonders hoch: Im Jahresdurchschnitt 2021/2022 fehlen rund 55.960 Fachkräfte in den Berufen der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Industrie. Dabei ist hervorzuheben, dass die relevanten Berufe für die Branche auch in vielen anderen Branchen nachgefragt werden. Es handelt sich also um eine branchenübergreifende Fachkräftelücke. • In Thüringen ist die Stellenbesetzung am schwierigsten, in NRW die Fachkräfte- lücke am größten: Im Ländervergleich von NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen lassen sich in Thüringen sieben von zehn offenen Stellen aufgrund des Fachkräftemangels nicht besetzen – in NRW sind nur vier von zehn Stellen betroffen. Im Vergleich aller Bundesländer ist Bayern am stärksten vom Fachkräftemangel in den Berufen der STEINE | ERDEN | KERAMIK betroffen. • Größte Lücken bei Bauplanungs- und -überwachungs- sowie Elektrotechnik-Experten und Maschinenbau- und Betriebstechnik-Fachkräften: Die größte Fachkräftelücken gibt es bei Experten der Bauplanung und -überwachung, zu denen auch Bauingenieure zählen. Hier fehlen im Jahresdurchschnitt 2021/2022 knapp 9.800 Fach- kräfte. Gleichzeitig fehlen rund 9.600 Experten in der Elektrotechnik und 7.500 Fachkräfte in der Maschinenbau- und Betriebstechnik. • Um den Renteneintritten entgegenzuwirken, muss mehr ausgebildet werden: In den nächsten zehn Jahren werden 23,4 Prozent der Beschäftigten in den Berufen der STEINE | ERDEN | KERAMIK in Rente gehen. Branchenspezifische Datenerhebungen schätzen den Anteil der über 55-Jährigen in der Branche sogar noch höher ein als im Durchschnitt der relevanten Berufe. Um Fachkräfte für die Zukunft zur Verfügung zu haben, müssen Unternehmen deshalb auf die Qualifizierung des Nachwuchses setzen und versuchen, mehr junge Menschen für die Ausbildung zu gewinnen. 1 Ausgangslage in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche Das Wichtigste in Kürze Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 7

Anforderungs- Bezeichnung Typische Qualifikation niveau 1 Helfer/Helferin ohne formale Berufsqualifikation 2 Fachkraft Berufsausbildung (mindestens zweijährig) 3 Spezialist/Spezialistin Fortbildungsabschluss (z. B. Meister, Techniker, Fachwirt) oder Bachelor 4 Experte/Expertin Diplom, Master oder Promotion Energiekrise, Klimakrise, Pandemie, Fachkräftemangel. Die deutsche Wirtschaft steht vor vielen Herausforderungen, die die Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK als CO2-, aber auch energie- und personalintensiver Wirtschaftszweig im besonderen Maße betreffen. Der ökologische und der demografische Wandel werden die Branche – aber auch die Wirtschaft insgesamt – in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Wie können sich die Unternehmen der STEINE | ERDEN | KERAMIK für die Zukunft wappnen? Wie gewinnen sie das Personal, dass in Zukunft immer knapper werden wird, und welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für das eigene Wirtschaften, aber auch für die Rekrutierung? Welche Vorteile kann die Branche nutzen, um sich gut aufzustellen, und wer geht mit gutem Beispiel voran? Die Jubiläumsstudie „Nachhaltig & zukunftssicher: Attraktiver Arbeitgeber STEINE | ERDEN | KERAMIK“ widmet sich genau diesen Fragen und zeigt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Praxisberichten auf, wie der Weg in die Zukunft gestaltet werden kann. Fachkräftemangel in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche Auch in der Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK ist ist der Fachkräftemangel in den letzten Jahren zu einem Problem herangewachsen. Von einem Fachkräftemangel kann gesprochen werden, „wenn das Angebot an passend qualifizierten Arbeitskräften in einem bestimmten Beruf in einer bestimmten Region kleiner ist als die Arbeitsnachfrage der Arbeitgeber“ (Burstedde et al., 2020, 6). Die passende Qualifikation wird sowohl über die Berufsfachlichkeit als auch über das Anforderungsniveau der Stelle definiert (Tabelle 1-1). Grundlage der berufsspezifischen Analyse ist die Klassifikation der Berufe – kurz KldB – der Bundesagentur für Arbeit (BA, 2011). Dabei ist zu beachten, dass die dargestellten spezifischen Berufe für die STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche auch in anderen Branchen relevant sind. Das heißt, dass die Fachkräftelücken nicht als branchenspezifische, sondern als branchenübergreifende Fachkräftelücken interpretiert werden müssen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist darüber hinaus auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Berufen auf KldB-5-StellerNiveau um sogenannte Berufsgattungen handelt. Berufsgattungen umfassen mehrere Einzelberufe und Tätigkeiten, für die jedoch keine differenzierten Informationen vorliegen. Quelle: IW-Darstellung auf Basis der BA (Bundesagentur für Arbeit), 2011 Tabelle 1-1: ANFORDERUNGSNIVEAUS 8 | Ausgangslage in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche herrscht, wenn das Angebot kleiner ist als die Arbeitsnachfrage der Arbeitgeber. Fachkräfte- mangel

0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 70.000 80.000 90.000 100.000 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Fachkräftelücke Arbeitslose Offene Stellen Abbildung 1-2: DIE FACHKRÄFTESITUATION IM LÄNDERVERGLEICH Anzahl und Anteil der offenen Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt 55.963 2.758 3.629 2.072 7.404 57,5 59,3 56,8 70,1 42,2 0 10 20 30 40 50 60 70 80 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 Deutschland Rheinland-Pfalz Hessen Thüringen NRW Fachkräftelücke (absolut) Stellenüberhangsquote (in %) Hinweis: Die Anzahl der offenen Stellen basiert auf der Hochrechnung der gemeldeten offenen Stellen aus der Stellen- statistik der Bundesagentur für Arbeit und den Meldequoten aus der Stellenerhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (vgl. Burstedde et al., 2020). Stellen für Helfer und Helferinnen bzw. An- und Ungelernte sind nicht enthalten. Quelle: IW-Berechnungen auf Basis von Sonderauswertungen der BA und der IAB-Stellenerhebung 2022 Quelle: IW-Berechnungen auf Basis von Sonderauswertungen der BA (Bundesagentur für Arbeit) und der IAB-Stellenerhebung 2022 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Abbildung 1-1: DIE ARBEITSMARKTENTWICKLUNG IN DEN RELEVANTEN BERUFEN FÜR DIE BRANCHE (gleitende) Jahresdurchschnitte von 2010 bis Mitte 2022 Die Fachkräftelücke ist die Anzahl an offenen Stellen, die rein rechnerisch nicht besetzt werden kann, weil es keine passend qualifizierten Arbeitslosen dafür gibt. Die Stellenüberhangsquote stellt den Anteil der rein rechnerisch nicht besetzbaren Stellen an allen offenen Stellen dar. Bei beiden Kennzahlen handelt es sich nicht um branchen- sondern um berufsspezifische Maße, d. h., sie ermitteln, wie groß der Fachkräftemangel in den relevanten Berufen in allen Branchen ist. Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 9 Angaben in Prozent

Verteilerplatte, Foto: Steuler Holding GmbH 10 | Ausgangslage in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche

57,5% der offenen Stellen konnten nicht besetzt werden. Um den Fachkräftemangel zu ermitteln, werden die offenen Stellen für einen Beruf einer bestimmten Qualifikation ins Verhältnis zu den passenden Arbeitslosen gesetzt. In den Berufen, die für die Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK besonders interessant sind, zeigen sich bereits seit 2010 Fachkräfteengpässe. So lag die Fachkräftelücke im Jahr 2010 bei 4.827 Stellen, die rein rechnerisch nicht besetzt werden konnten, da keine passend qualifizierten Arbeitslosen dafür zur Verfügung standen. Am aktuellen Rand – dem gleitenden Jahresdurchschnitt 2021/2022 (01.07.2021 – 30.06.2022) – ist die Fachkräftelücke in den wichtigen Berufen für die Branche mittlerweile fast zwölf Mal so hoch wie vor elf Jahren. So konnten zum 30.06.2022 branchenübergreifend ganze 55.963 Stellen rein rechnerisch aufgrund der fehlenden Arbeitslosen nicht besetzt werden (Abbildung 1-2). Damit liegt die Fachkräftelücke heute sogar höher als noch vor der Corona-Pandemie, die mit einer vorübergehend rückläufigen Fachkräftenachfrage auf dem Arbeitsmarkt einherging. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine branchenübergreifende Fachkräftelücke handelt, d. h., die Berufe, die für die STEINE | ERDEN | KERAMIK-Industrie relevant sind, werden auch in anderen Branchen nachgefragt. Somit muss sich die Branche bei der Rekrutierung ihrer Fachkräfte auch gegen rivalisierende Branchen behaupten. Auch können regionale Unterschiede in der Verfügbarkeit von passend qualifizierten Arbeitslosen und der Konkurrenz zwischen Unternehmen oder Branchen dazu führen, dass der Fachkräftemangel in bestimmten Regionen stärker ausgeprägt ist als in anderen. Betrachtet man die Arbeitsmarktentwicklung in den relevanten Berufen der Branche zeigt sich, dass die Arbeitskräftenachfrage (gemessen an den offenen Stellen) bereits seit Mitte 2019 rückläufig war und gleichzeitig immer mehr Arbeitslose verzeichnet wurden. Seit dem gleitenden Jahresdurchschnitt 2020/2021 zeigt sich eine Erholung am Arbeitsmarkt: Die offenen Stellen steigen wieder und die Zahl der Arbeitslosen nimmt ab. Dies führt auch dazu, dass die Fachkräfteengpässe wieder zunehmen. So steigt seit Mitte 2020/2021 auch die Fachkräftelücke wieder und liegt Mitte 2021/2022 wieder auf Vorkrisenniveau. Der Fachkräftemangel in den relevanten Berufen der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche zeigt in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Ausmaße (Abbildung 1-2). Vergleicht man die Fachkräftelücke in Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen und NRW zeigt sich, dass Thüringen den Fachkräftemangel am stärksten zu spüren bekommt. Hier ist die Stellenbesetzung im Vergleich zu den anderen Bundesländern und im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt deutlich schwieriger: So können 70,1 Prozent aller offenen Stellen rein rechnerisch nicht besetzt werden, da es in ganz Thüringen keine qualifizierten Arbeitslosen dafür gibt. Zum Vergleich: In NRW konnten trotz einer deutlich höheren Fachkräftelücke nur 42,2 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. In absoluten Zahlen fehlten mehr als 7.400 rechnerisch nicht besetzbaren Stellen die meisten Fachkräfte in NRW. In Thüringen hingegen fehlen mit einer Fachkräftelücke von gut 2.000 vergleichsweise wenig Fachkräfte. In Relation zu allen offenen Stellen in Thüringen ist jedoch ein viel höherer Anteil an Stellen vom Fachkräftemangel betroffen. Insgesamt zeigen die Zahlen: der Fachkräftemangel ist groß und führt dazu, dass deutschlandweit über die Hälfte der offenen Stellen (57,5 Prozent) rein rechnerisch nicht besetzt werden kann. Vergleicht man hingegen alle 16 Bundesländer zeigt sich, dass sowohl die Fachkräftelücke als auch die Stellenüberhangsquote in Bayern am höchsten ist: Hier fehlten im Jahresdurchschnitt Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 11

2021/2022 rund 14.000 Fachkräfte. Somit konnten 72,5 Prozent aller offenen Stellen in Bayern rein rechnerisch nicht besetzt werden. Mit einem Blick auf die Berufe, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind, zeigt sich, dass vor allem Experten mit einemMasterabschluss oder Diplom in der Bauplanung und -überwachung fehlen, zu der auch Bauingenieure und -ingenieurinnen gezählt werden. Diese Berufsgruppe ist am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen. So konnten zum Jahresdurchschnitt 2021/2022 9.786 Stellen rein rechnerisch nicht besetzt werden, was 91,2 Prozent aller offenen Stellen entspricht. Umgekehrt bedeutet dies, dass es nur für unter 10 Prozent der offenen Stellen in der Bauplanung und -überwachung ein Potenzial von passend qualifizierten Arbeitslosen gab, die diese hätten besetzen können. Bei Elektrotechnik-Experten wie beispielsweise Elektroingenieuren und -ingenieurinnen sieht die Fachkräftesituation nicht viel besser aus. Zum Jahresdurchschnitt 2021/2022 fehlten 9.603 Fachkräfte, was 86,4 Prozent der offenen Stellen entspricht. Auf Fachkraftniveau, d. h., für Berufe, die meist eine duale Ausbildung voraussetzen, fehlten vor allem Maschinenbau- und Betriebstechnikerinnen und -techniker, zu denen auch Industriemechanikerinnen und -mechaniker zählen. Dort lag die Fachkräftelücke bei 7.502. Somit konnten 46,3 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. Aber auch in der Mechatronik (6.938) und der elektrischen Betriebstechnik (6.102) fehlen viele Fachkräfte, wobei sich hier die Stellenbesetzung schwieriger zeigt als in der Berufsgruppe Maschinenbau- und Betriebstechnik. In der Mechatronik konnten 2021/2022 acht von zehn Stellen nicht besetzt werden. Auch in der elektrischen Betriebstechnik konnten drei Viertel der offenen Stellen rein rechnerisch nicht besetzt werden. Unter den Spezialisten mit Bachelor- oder Fortbildungsabschluss fehlten vor allem IT-Systemadministratoren und -administratorinnen und Elektrotechniker und -technikerinnen. Dort konnten 1.821 (IT) und 1.731 (Elektrotechnik) rein rechnerisch nicht besetzt werden, da es keine passend qualifizierten Arbeitslosen für die Berufe gab. Neben den in Tabelle 1-2 aufgeführten Berufen, sind in der Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK noch viele weitere Berufe relevant. Insgesamt weist die Branche ein vielfältiges Berufsspektrum auf. Zu den Kernberufen der Branche zählen beispielsweise die Fachkräfte in der Baustoffherstellung, zu denen u. a. die Bereiche Maschinen- und Anlagenführung, Verfahrensmechanik und Betonfertigteilbau gehören. Auch dort fehlten im Jahresdurchschnitt 2021/2022 385 Fachkräfte, wodurch 66,7 Prozent aller offenen Stellen rein rechnerisch nicht besetzt werden konnten. In der Baustoffprüfung, die ebenfalls zu den Kernberufen der Branche zählt, fehlten ebenfalls Fachkräfte. Im Jahresdurchschnitt 2021/2022 konnten 107 Stellen nicht besetzt werden, da es keine passend qualifizierten Arbeitslosen dafür gab. Somit war über die Hälfte (54,4 Prozent) der offenen Stellen in dem Beruf vom Fachkräftemangel betroffen. Auch Fachkräfte für Naturstein- und Mineralaufbereitung, zum Beispiel in der Aufbereitungs- oder Natursteinmechanik, waren knapp: Hier fehlten zwar nur 60 Fachkräfte deutschlandweit, dennoch konnten dadurch 35,7 Prozent aller offenen Stellen für den Beruf nicht besetzt werden. Neben der Fachkräftesituation gibt Tabelle 1-2 auch Aufschluss über die Ersatzbedarfe in den dargestellten Berufen. Als Ersatzbedarf gilt der Anteil der Beschäftigten, die 55 Jahre oder älter sind, an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (ohne Auszubildende). Da das durchschnittliche Ren12 | Ausgangslage in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche In der Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK sind noch viele weitere Berufe relevant. Insgesamt weist die Branche ein vielfältiges Berufsspektrum auf.

Tabelle 1-2: DIE BERUFE MIT DER GRÖSSTEN FACHKRÄFTELÜCKE NACH ANFORDERUNGSNIVEAU Anzahl und Anteil der Stellen, die rein rechnerisch nicht besetzt werden können zum 30.06.2021 und Anteil der älteren Beschäftigten (Ersatzbedarf) an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2021 Maschinenbau- und Betriebstechnik (z. B. Industriemechaniker/ Industriemechanikerin) Mechatronik (z. B. Industrietechnologe/ Industrietechnologin Mechatronik) Elektrische Betriebstechnik (z. B. Elektroniker/Elektronikerin für Betriebstechnik) Elektrotechnik (z. B. Elektroniker/Elektronikerin) Automatisierungstechnik (z. B. Prozessleitelektroniker/Prozess- leitelektronikerin Verfahrenstechnik) IT-Systemadministration (z. B. IT-Systemadministratoren/ IT-Systemadministratorinnen) Elektrotechnik (z. B. Elektroniker/Elektronikerin) Bauplanung und -überwachung (z. B. Bauingenieur/Bauingenieurin Bachelorabschluss) Sprengtechnik (z. B. Absprenger/Absprengerin Naturstein, Techniker/Technikerin) Mechatronik (z. B. Maschinentechniker/ Maschinentechnikerin Mechatronik) Bauplanung und -überwachung (z. B. Bauingenieur/Bauingenieurin) Elektrotechnik (z. B. Elektroingenieur/Elektroingenieurin) Maschinenbau- und Betriebstechnik (z. B. Verfahrensingenieur/ Verfahrensingenieurin) Mechatronik (z. B. Mechatronikingenieure/ Mechatronikingenieurin) Geotechnik (z. B. Ingenieur/Ingenieurin für Rohstoffe und Geotechnik, Geotechnik und Bergbau oder Bodenwissenschaften) 7.502 6.938 6.102 2.136 1.906 1.821 1.713 818 131 125 9.786 9.603 2.450 358 80 46,3 83,3 75,0 54,4 73,3 37,8 73,9 86,1 74,8 58,1 91,2 86,4 45,5 68,8 65,3 24,9 6,7 18,6 24,8 16,6 18,9 25,6 28,7 26,5 8 23 28,1 22,4 3,8 22,3 Fachkräfte- lücke (absolut) Berufsgattung1 Fachkräfte Spezialisten Experten Stellenüber- hangsquote (in Prozent) Anteil Be- schäftigte 55 + (in Prozent) 1 Die Berufsgattungen der KldB-5-Steller umfassen mehrere Einzelberufe und Tätigkeiten, für die jedoch keine differenzierten Informationen vorliegen. In der Studie werden die Berufsgattungen zugunsten der besseren Lesbarkeit als Berufe bezeichnet. Hinweis: Die Anzahl der offenen Stellen basiert auf der Hochrechnung der gemeldeten offenen Stellen aus der BA-Stellenstatistik und den Meldequoten aus der IAB-Stellenerhebung (vgl. Burstedde et al., 2020). Stellen für Helfer/Helferinnen bzw. An- und Ungelernte sind nicht enthalten. Quelle: IW-Berechnungen auf Basis von Sonderauswertungen der BA und der IAB-Stellenerhebung 2022 Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 13

Abbildung 1-3: AUSBILDUNGSANGEBOT IN RELEVANTEN BERUFEN DER BRANCHE STEINE | ERDEN | KERAMIK Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge und der unbesetzten Ausbildungsstellen im Jahr 2021 (branchenübergreifend) Industriekaufmann/Industriekauffrau Industriemechaniker/Industriemechanikerin Fachinformatiker/Fachinformatikerin Fachrichtung (FR) Systemintegration (inkl. ohne FR-Angabe) Mechatroniker/Mechatronikerin Elektroniker/Elektronikerin (ohne FR-Angabe), Industrieelektriker/Industrieelektrikerin FR Betriebstechnik Bauzeichner/Bauzeichnerin, Technische(r) Produktdesigner/Produktdesignerin (42 Monate), Technische(r) Systemplaner/Systemplanerin Elektroniker/Elektronikerin FR Automatisierungstechnik, Elektroniker/Elektronikerin für Automatisierungstechnik Industrieelektriker/Industrieelektrikerin FR Geräte und Systeme, Systemelektroniker/Systemelektronikerin Prüftechnologe/Prüftechnologin Keramik Elektroniker/Elektronikerin für Maschinen und Antriebstechnik Baustoffprüfer/Baustoffprüferin Edelmetallprüfer/Edelmetallprüferin, Werkstoffprüfer/Werkstoffprüferin Verfahrensmechaniker/Verfahrensmechanikerin in der Steine- und Erdenindustrie, Werksteinhersteller/ Werksteinherstellerin Aufbereitungsmechaniker/Aufbereitungsmechanikerin Naturwerksteinmechaniker/Naturwerksteinmechanikerin FR Schleiftechnik (inkl. ohne FR-Angabe) Industriemechaniker/Industriemechanikerin in Verfahrenstechnik Metall- und Glockengießer/Glockengießerin Quelle: IW-Berechnungen auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), 2022 Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge Unbesetzte Ausbildungsplätze Angabe in Tausend 8 10 12 14 16 6 4 2 0 9.777 620 9.252 409 7.488 505 6.954 54 1.878 170 1.542 40 2.463 183 14.400 676 5.949 400 327 64 14 | Ausgangslage in der STEINE | ERDEN | KERAMIK-Branche 228 29 222 36 153 95 99 57 45 23 3 7

teneintrittsalter aktuell bei 64 Jahren liegt, kann davon ausgegangen werden, dass diese Beschäftigten voraussichtlich in den nächsten 10 Jahren in Rente gehen werden. Für den Fall, dass ihre Stellen nachbesetzt werden müssen, entsteht dadurch ein Ersatzbedarf. Der durchschnittliche Anteil an Beschäftigten über 55 Jahren in allen quali- fizierten Berufen, d. h., ohne Berufe für An- und Ungelernte, beträgt 23,4 Prozent. Im Vergleich zum Durchschnitt fällt auf, dass in vielen der dargestellten Berufe, in denen der Fachkräftemangel gerade besonders groß ist, nur wenige Ältere arbeiten. So z. B. in der Mechatronik: Auf allen Anforderungsniveaus ist der Anteil der Älteren unter den Beschäftigten eher gering, sodass voraussichtlich in zehn Jahren weniger Stellen nachbesetzt werden müssen als beispielsweise bei den Spezialisten in der Bauplanung und -überwachung. Unter Letzteren sind fast 30 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2021 55 Jahre alt oder älter. Dies ist ein überdurch- schnittlich hoher Ersatzbedarf, der in den nächsten zehn Jahren gegebenenfalls dazu führen kann, dass sich die bestehenden Engpässe weiter verschärfen. Im Vergleich zu den berufsspezifischen Zahlen zeigt ein Blick auf die Beschäftigtenstruktur der Branche, dass insgesamt circa 29 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zum 30.06.2021 über 55 Jahre alt waren (BBS, 2022). Somit können sich für die Branche in Zukunft höhere Ersatzbedarfe ergeben. Besonders schwierig dürfte die Nachbesetzung in den Berufen werden, in denen heute schon viele Fachkräfte fehlen oder älter sind. Für die zukünftige Versorgung mit Fachkräften kommt es also darauf an, in die Jugend zu investieren und selbst Fachkräfte auszubilden. Auch in den Berufen, die unter den Top Fünf mit der größten Fachkräftelücke sind (Abbildung 1-2), bleiben viele Ausbildungsstellen unbesetzt (Abbildung 1-3). So konnten im Jahr 2021 bundes- und branchenweit 620 Ausbildungsplätze für Industriemechanikerinnen und Industriemechaniker nicht besetzt werden. Gleichzeitig gibt es bereits einen hohen Mangel an Fachkräften der Maschinenbau- und Betriebstechnik. Auch in der Mechatronik sind zusätzlich zum hohem Fachkräftemangel rund 500 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben. Vor allem in Berufen, in denen der Fachkräftemangel schon jetzt so groß ist, dass viele offene Stellen nicht besetzt werden können, kann mangelnder Nachwuchs das zukünftige Wirtschaften gefährden. Die hohe Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen zeigt, dass die Unternehmen gewillt sind, mehr Nachwuchsfachkräfte auszubilden, als sie finden können. Durch den demografischen Wandel und eine im Vergleich zu vor zehn Jahren stark gestiegene Studierneigung der jungen Menschen wird es für die Unternehmen in der Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK besonders wichtig werden, ihre Ausbildungsberufe attraktiv zu gestalten. Im Zuge des zunehmenden Fachkräftemangels wandelt sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- in einen Arbeitnehmermarkt. Um als attraktiver Arbeitgeber die besten Köpfe – oder überhaupt Köpfe – für das eigene Unternehmen zu gewinnen und zu halten, orientieren sich Arbeitgeber immer stärker an den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Zielgruppe. Dies setzt voraus, dass sie ihre Zielgruppen kennen und ein gutes Bild davon haben, welche Faktoren bei der Arbeitgeberwahl besonders wichtig sind. Um den Unternehmen der Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK Instrumente und Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben, wie sie sich im umkämpften Arbeitsmarkt Fachkräfte sichern können, sollen genau diese Bedürfnisse und Entscheidungsfaktoren bei der Arbeitgeberwahl im Folgenden beleuchtet werden. wandelt sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- in einen Arbeitnehmermarkt. Im Zuge des zunehmenden Fachkräfte- mangels Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 15

• Definition Nachhaltigkeit: Für den Begriff Nachhaltigkeit gibt es keine allgemein- gültige Definition. In den Unternehmenskontext übersetzt, bedeutet nachhaltiges Wirtschaften häufig, „[…] nicht Gewinne zu erwirtschaften, die dann in Umwelt- und Sozialprojekte fließen, sondern Gewinne bereits umwelt- und sozialverträglich zu erwirtschaften (Pufé, 2014). Zudem bezieht sich Nachhaltigkeit auf drei Säulen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. • Gesellschaftlicher Wertewandel: Das öffentliche Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist bei Arbeitnehmern in den letzten Jahren gestiegen. Besonders in der frühen Rekrutierungsphase können Unternehmen sich durch das Image „nachhaltig zu sein“ positiv von der Konkurrenz abheben. Bei der konkreten Arbeitgeberwahl spielt vor allem der Faktor „Jobsicherheit“ für Bewerbende eine wichtige Rolle. Das Wichtigste in Kürze 16 | Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist NABU Beweidungs- projekt Schmittenhöhe bei Koblenz, Foto: BKRI Was macht einen Arbeitgeber in den Augen potenzieller Bewerber attraktiv? Vor dem Hintergrund der Klimakrise wird insbesondere in Bezug auf die jüngeren Generationen von einem Wertewandel oder einer „Generation Greta“ gesprochen. Wirkt sich dieses stärkere Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch auf die Arbeitgeberwahl junger Menschen in Deutschland aus? Um diese Fragen zu klären, werden im folgenden Kapitel empirische Erkenntnisse zurate gezogen und diskutiert. 2 Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist Generation Greta und Wertewandel in Bezug auf die jüngeren Generationen.

Ehemaliger Naturwerksteinbruch, Bad Langensalza, Foto: UVSEK Was ist eigentlich Nachhaltigkeit? Die wohl bekannteste Definition von Nachhaltigkeit geht aus dem (Brundtland-)Abschlussbericht Our Common Future der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1987 hervor. Hier heißt es: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (UN, 1987). Im Kern bedeutet dies: Wir dürfen nicht auf Kosten der Menschen in anderen Regionen der Erde und auf Kosten zukünftiger Generationen leben (BMUV, 2017). Der Erfolg des Brundtland-Berichts lag insbesondere darin, nachhaltige Entwicklung erstmals als globales Leitbild zu verankern und einen öffentlichen Diskurs über Nachhaltigkeit zu entfachen. Obwohl im Zweifelsfall zumeist auf die obige Nachhaltigkeitsdefinition zurückgegriffen wird, bietet sie viel Interpretationsspielraum. Wenig überraschend ist demnach, dass Nachhaltigkeit nie allgemeingültig definiert werden konnte und somit von verschiedenen Akteuren – je nach Weltbild, Gesellschaftskonzept, Interessen und Wertpräferenzen – unterschiedlich ausgelegt wird (Brand, 2000). Um globale Ressourcen langfristig zu erhalten, legt die deutsche Bundesregierung drei Dimensionen der Nachhaltigkeit fest, die gleichberechtigt die Grundlage aller politischen Entscheidungen bilden (BMZ, 2022). Diese drei Dimensionen der Nachhaltigkeit lauten: ökologische Verträglichkeit, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und können zusammengenommen als ganzheitlicher Zukunftsansatz betrachtet werden (BMUV, 2017). 1987 wurde die wohl bekannteste Definition von Nachhaltigkeit aus dem Abschlussbericht Our Common Future der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung veröffentlicht. Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 17

Betonstein mit Prämierung Blauer Engel, Foto: Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG 18 | Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist

„Nachhaltigkeit ist ein ganz wesentliches Thema. Wir haben dabei alle drei Säulen im Blick: Umwelt, Wirtschaftlichkeit und soziale Belange. Uns ist wichtig, Nachhaltigkeit nicht nur auf Umwelt zu verkürzen, wenngleich diese Säule von hoher Bedeutung für uns ist.“ — Heike Horn, Geschäftsführerin SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG „Beim Thema Nachhaltigkeit geht es nicht nur um das wichtige Thema Umwelt, sondern auch um weitere Säulen – wie zum Beispiel Arbeitssicherheit und soziale Verantwortung. Wir wollen nachhaltig dafür sorgen, dass es den Mitarbeitern gut geht, dass sie zu Vorsorgeangeboten bei unseren Betriebsärzten gehen und Gesundheitsangebote gut wahrgenommen werden. Auch Sportangebote fallen da mit rein, was auch dazu beiträgt, dass unsere Beschäftigten den Weg zur Arbeit mit ihrem täglichen Sportprogramm nachhaltig verbinden.“ — Elisa Junker, HR Business Partnerin Dyckerhoff GmbH In den Unternehmenskontext übersetzt, bedeutet nachhaltiges Wirtschaften, „[…] nicht Gewinne zu erwirtschaften, die dann in Umwelt- und Sozialprojekte fließen, sondern Gewinne bereits umwelt- und sozialverträglich zu erwirtschaften“ (Pufé, 2014). Somit lässt sich Nachhaltigkeit als Oberbegriff für Unternehmenstätigkeiten verstehen. Betriebe sollten dabei zunächst individuell eine Antwort auf die Frage finden: „Was bedeutet Nachhaltigkeit für mein Unternehmen?“ Um die Nachhaltigkeit von Unternehmen konkret zu bewerten, können als Hilfestellung die sogenannten ESG-Kriterien aus der Finanzwelt herangezogen werden. Hierbei steht ESG für die englischen Begriffe „Environment“ (Unwelt), „Social“ (Soziales) und „Governance“ (Führung). Mit deren Hilfe können Investoren gezieltere und nachhaltigere Investitionsentscheidungen treffen. „Wir haben viele Produktionsprozesse auf erneuerbare Energien umgestellt. Aber man muss definieren, was man unter klimaneutraler Produktion versteht. Das geht bei uns von der Anlieferung der Rohstoffe über die Produktionsstätten bis zur Auslieferung an den Endkunden. Dabei wird eine genaue Klimabilanz erstellt, also ein CO2-Fußabdruck. Da, wo wir noch nicht auf erneuerbare Energien umstellen können, kompensieren wir noch durch Emissionszertifikate, die wir freiwillig erwerben. Aber es gibt ein ganz klares Ziel: Bis spätestens 2030 wollen wir alle Energieträger auf Erneuerbare umstellen, sodass wir keine Emissionszertifikate mehr brauchen. Die Zertifikate sind nur eine Übergangslösung.“ — Luisa Rinn, Mitglied Geschäftsleitung Rinn Beton- und Naturstein GmbH&Co. KG „Nachhaltigkeit ist das Thema Nummer eins in allen Bewerbungsgesprächen. Auch in Bankgesprächen werden wir gefragt, was wir für die Nachhaltigkeit machen, weil das Auswirkungen auf das Rating [der Banken] hat. Da macht es viel Freude, einen Nachhaltigkeitsbericht aushändigen zu können. Es macht vieles einfacher, wenn man sein Engagement dokumentiert hat.“ — Michael Steuler, Geschäftsführer Steuler Holding GmbH Nach- haltigkeit umfasst auch die Bereiche Arbeits- sicherheit und soziale Verantwortung. Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 19

ESG – NACHHALTIGKEITSKRITERIEN FÜR UNTERNEHMEN: Environment: Verantwortung für die Umwelt • Beitrag zu Umweltschutz und Artenvielfalt • Schonendes Ressourcenmanagement und Einsatz erneuerbarer Energien • Minimierung der Luft- und Wasseremission • Klimaneutrales Wirtschaften und Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks Social: Soziale Verantwortung von Unternehmen • Faire Arbeitsbedingungen (z.B. Antidiskriminierung, Chancengleichheit der Geschlechter, angemessene Entlohnung, Inklusion) • Hohe Standards hinsichtlich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz • Einhalten von Arbeitsrechten (Einhaltung der ESG-Kriterien auch bei Zulieferern) • Gesellschaftliches Engagement Governance: Grundsätze guter Unternehmensführung • Ethisch vertretbare Führung des Unternehmens • Nachhaltige Werte, Bekenntnis zu Menschenrechten • Verhinderung von Korruption und Kartellbildung • Internes Kontroll- und Risikomanagement Gesellschaftlicher Wertewandel Klimaschutz: Zwischen Konsumentenwünschen und Arbeitnehmeransprüchen In den letzten Jahren ist das öffentliche Bewusstsein für Nachhaltigkeit gestiegen. So geben mehr als ein Drittel aller Betriebe (36,2 Prozent) an, dass Kunden nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen verlangen (Bellmann/Koch, 2019). Die Mehrheit der Beschäftigten (55 Prozent) steht zudem den allgemeinen Forderungen aus Politik und Öffentlichkeit nach mehr Maßnahmen von Unternehmen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz positiv gegenüber. Dabei zeigen sich Frauen (58,1 Prozent) sensibilisierter für das Thema als Männer (52,2 Prozent) (Kunzlmann/Schilcher, 2021). Dies scheint wenig überraschend, zeigen Studien doch, dass sich vor allem Frauen – zunehmend jedoch auch Männer – Sorgen um den Klimawandel machen. Die allgemeine Sorge hinsichtlich des Klimawandels ist dabei in allen Altersklassen angestiegen. Der Umwelt- und Klimaschutz ist somit ein Thema, das alle Generationen stark bewegt (Anger et al., 2022; Deloitte, 2022). „Unsere Kunden erwarten ganz klar, dass wir auf Nachhaltigkeit setzen, das ernst nehmen, eine Systematik haben und uns kontinuierlich verbessern. Wir haben uns deshalb von EcoVadis als nachhaltiges Unternehmen zertifizieren lassen.“ — Heike Horn, Geschäftsführerin SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG Umwelt- und Klima- schutz ist ein Thema, das alle Generationen stark bewegt. 20 | Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist

Quelle: IW-Darstellung auf Basis von SOEPv36 (vgl. Anger et al., 2022) Angaben in Prozent Quelle: IW-Darstellung auf Basis von Berechnungen der Königsteiner Gruppe (vgl. Königsteiner, 2020) Abbildung 2-1: GROSSE SORGEN UM KLIMAWANDEL NACH GENERATION Anteil der Bevölkerung ab 17, der sich große Sorgen um den Klimawandel macht Abbildung 2-2: WENN SIE SICH NACH EINEM NEUEN ARBEITGEBER UMSCHAUEN, WIE WICHTIG IST IHNEN DIE HALTUNG DES POTENZIELLEN ARBEITGEBERS ZUM THEMA KLIMASCHUTZ? Anteil der Befragten von 18 bis 69 Jahren Angaben in Prozent 0 10 20 30 40 50 60 24 Jahre und jünger 25 bis 40 Jahre 41 bis 54 Jahre 55 Jahre und älter Frauen 2019 Männer 2019 Frauen 2009 Männer 2009 61,9 25,7 46,1 23,6 44,9 31,6 40,5 26 50,7 28,8 43,5 25,5 54,5 31,7 45,8 28,3 60 bis 69 Jahre 50 bis 59 Jahre 40 bis 49 Jahre 30 bis 39 Jahre 18 bis 29 Jahre Gesamt Sehr wichtig Egal Wichtig Nicht wichtig 11,9 48,6 26,5 10,6 10,6 50 28,4 12,4 9,6 49,6 28,5 12,8 14,2 47,5 26,5 14,2 12,7 48 25,1 16 13 10,9 47,6 25,5 Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 21

Foto: SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG „Das Thema Nachhaltigkeit ist bei Bewerbern omnipräsent. Viele Bewerber fragen uns, was wir für die Nachhaltigkeit tun. Da können wir auf unseren Nachhaltigkeitsbericht verweisen, darauf, dass wir in Fotovoltaik und energiesparende Industrieaggregate investieren.“ — Michael Steuler, Geschäftsführer Steuler Holding GmbH Young Professionals: Klimaschutz ist wichtig, besonders in der Orientierungsphase 87 Prozent der Studierenden bewerten das Thema Klimaschutz als wichtig (Ernst & Young, 2020). So wollen viele Young Professionals die Zukunft positiv mitgestalten und wünschen sich deshalb von ihrem Arbeitgeber ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Vor allem in der frühen Phase der Rekrutierung, also bei der Suche nach passenden Unternehmen, spielt das Unternehmensimage eine große Rolle (Lievens/Highhouse, 2003). Dabei fühlen sich Personen besonders von den Organisationen angezogen, die mit ihren eigenen Werten übereinstimmen (ebd.). Zudem definieren sich Organisationsmitglieder durch ihren Arbeitgeber und ziehen aus den Werten, die der Arbeitgeber repräsentiert, einen psychologischen Nutzen (Highhouse et al., 2007). Das Unternehmensimage, „nachhaltig zu sein“, kann somit die persönliche Selbstwahrnehmung positiv beeinflussen. Aus Unternehmersicht können Nachhaltigkeitsmerkmale insbesondere dazu genutzt werden, um sich von der Konkurrenz am Arbeitsmarkt positiv abzuheben und Bewerbende mit ähnlichen Wertvorstellungen anzuziehen. Wichtig ist hierbei, dass Nachhaltigkeit im Unternehmen auch tatsächlich gelebt wird. „Nachhaltigkeit hat viel mit Transparenz zu tun. Bei uns kannman alles auf der Website nachlesen: vom CO2-Fußabdruck bis zu den Maßnahmen und den Zielen, was wir erreicht und nicht erreicht haben. der Studierenden bewerten das Thema Klimaschutz als wichtig. 87% 22 | Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist

Azubitag, Foto: GOERG & SCHNEIDER GmbH u. Co. KG Es reicht nicht, irgendwo ein Label dranzuhängen und zu sagen, ich bin klimaneutral – ohne dass klar ist, was der Rahmen ist, wie hoch der CO2-Fußabdruck ist und wie kompensiert wird. Wenn man das nicht macht, hat das viel mit Greenwashing zu tun. Nachhaltigkeit muss in der DNA des Unternehmens verankert sein.“ — Christian Rinn, Geschäftsführer Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG Zusammenfassend zeigt sich, dass heute das Engagement für die ökologische Nachhaltigkeit eines Unternehmens und einer Branche ein wichtiger Aspekt ist, auch bei der Fachkräftegewinnung. Studien, die die Zusammenhänge näher beleuchten, sind zu erwarten. Zu berücksichtigen gilt, dass Nachhaltigkeit mehrere Dimensionen umfasst. Durch die Corona-Pandemie sind für junge Beschäftigte besonders soziale Aspekte der Nachhaltigkeit, wie Arbeitsplatzsicherheit in den Fokus gerückt. Jobsicherheit, ein wichtiges Attraktivitätsmerkmal Stabilität und Unabhängigkeit – dies sind wichtige Leitlinien der jungen Generation (Papasabbas/Pfuderer, 2021). So besteht der Wunsch, sich selbst zu verwirklichen und Verantwortung zu übernehmen, gleichzeitig aber durch einen sicheren Arbeitsplatz geschützt zu sein (Waffenschmidt, 2018, WHUStudie, Kurzbericht zur Forschungsstudie „Zukunftsfähigkeit der Region Westerwald“, 2019). Entsprechend ist den 15- bis 24-Jährigen all jenes besonders wichtig, was der Befriedigung dieser Bedürfnisse und dem Erreichen dieser Ziele dient (Papasabbas/ Pfuderer, 2021). 52 Prozent aller Befragten unter 25-Jährigen bewerten „einen sicheren Arbeitsplatz zu haben“ als sehr wichtig. Ängste dieser Generation drücken sich durch finanzielle Sorgen (30 Prozent) und die Sorge vor einem möglichen Jobverlust (23 Prozent) aus (Hurrelmann et al., 2019). Die Attraktivität einer Branche wird von der aller Befragten unter 25-Jährigen bewerten einen „sicheren Arbeitsplatz zu haben“ als sehr wichtig. 52% Nachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 23

jungen Generation insbesondere dahingehend bewertet, inwieweit sie dort gute Zukunftsperspektiven (76 Prozent) und sichere Arbeitsplätze erwarten (74 Prozent; ebd.). Bei den Fachkräften mit Berufsausbildung gehen hohe wahrgenommene Komplexität und Zukunftsunsicherheit mit Optimismus und Vertrauen in die persönliche Zukunft einher. So sind Fachkräfte zwar einerseits aufgrund der Krisenerfahrungen in den letzten Jahren eher verunsichert, sie rechnen sich andererseits aber aufgrund von Qualifikationen und/oder Berufserfahrungen gute Berufschancen am Arbeitsmarkt aus (57,2 Prozent; Meine Stadt, 2022; Meine Stadt, 2021). Dennoch zählt auch bei den 27- bis 42-Jährigen die Jobsicherheit zu den wichtigsten Attraktivitätsmerkmalen (ifaa, 2022). Besonders für Arbeitnehmer über 35 Jahren ist Arbeitsplatzsicherheit das wichtigste Merkmal bei der Arbeitgeberwahl (Randstadt, 2022). Arbeitgeber sollten davon ausgehen, dass „Sicherheit“ als Arbeitgebereigenschaft nach der Krise ein zunehmend wichtiges Argument für die Personalgewinnung wird. Stabile Geschäftsmodelle und Beschäftigungsperspektiven, geringe Fluktuation und/oder entsprechende Arbeitgeberleistungen, all diese Faktoren tragen zur Arbeitgeberattraktivität bei (Meine Stadt, 2021). „Dass wir sichere Arbeitsplätze bie- ten, ist angesichts der aktuellen Lage wirtschaftlicher Unsicherheit von zunehmender Bedeutung.“ — Christoph Hagemeier, Vorstandssprecher Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG „Bei ganz vielen Bewerbern und Mitarbeitern zählt, dass wir ein Familienunternehmen sind. Das steht für Beständigkeit, also dafür, keine abrupten Kurswechsel vorzunehmen, sondern Sicherheit zu gewährleisten.“ — Michael Steuler, Geschäftsführer Steuler Holding GmbH Beratungsgespräch Ideengarten, Foto: Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG 24 | Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer empfinden Arbeitsplatzsicherheit als wichtigstes Merkmal bei der Arbeitgeberwahl. Über 35-Jährige

tensiver Verbesserungen haftet der Baustoffindustrie in der Gesellschaft noch immer das Image an, mit einer hohen Umweltbelastung in Verbindung zu stehen“ (Hans-Böckler-Stiftung, 2019). So sind die Rahmenbedingungen einerseits ungünstig, andererseits können Veränderungen viel bewirken. „Wir greifen in die Natur ein, deshalb müssen wir die Natur schützen, wo es möglich ist. Das fängt beim Rohstoffabbau an. Wir achten auf Ressourcenschonung und fördern die Biodiversität bereits im Betrieb der Steinbrüche. Im Nachgang setzen wir auf Renaturierung – um so der Natur etwas Gutes zu tun.“ — Heike Horn, Geschäftsführerin SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG „Nachhaltigkeit hat für uns zentrale Priorität. Wir produzieren sehr viel im energieintensiven Hochtemperaturbereich zwischen 1200 und 1800 Grad. Umso massiver kümmern wir uns um Nachhaltigkeit. Wir wissen, dass wir hier eine große Verantwortung haben. Zum Beispiel sind wir mit mehr als 10 Prozent Einsatz recycelter Materialien Vorreiter in der Feuerfestindustrie. Aber wir unterstützen auch die nachhaltige Fortbewegung unserer Belegschaft, indem wir das Jobrad einführen, also das vergünstigte Leasing von Fahrrädern.“ — Tim Steenvoorden, Deutschland- Vorstand bei RHI Magnesita Deutschland AG „Wir sind eine energie- und CO2-intensive Branche. Aber bei dem Thema geht es nicht um hundert oder null, ganz oder gar nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeit zu erzielen. Es fängt an mit dem täglichen Energiemanagement. „Gerade in volatilen Zeiten wie jetzt hat das Thema Jobsicherheit einen hohen Stellenwert. Wir sind auf langfristige Beschäftigung ausgerichtet. Wir haben teilweise Mitarbeiter, die in dritter Generation hier arbeiten.“ — Heike Horn, Geschäftsführerin SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG „Zurzeit steht die Frage, wie sicher die Arbeitsplätze bei uns sind, stark im Vordergrund. Das beantworten wir sehr transparent. Wir versprechen, alles zu tun, um Arbeitsplätze zu sichern und informieren regelmäßig über unsere wirtschaftliche Situation, beispielsweise über Führungskräfterunden, Informationsveranstaltungen mit dem Betriebsrat oder auch im direkten Gespräch.” — Hartmut Goerg, Geschäftsführer GOERG & SCHNEIDER GmbH u. Co. KG „Jobsicherheit muss nicht zwangsläufig heißen, nur in dem einen Job bleiben zu können, bis man in Rente geht. Es kann auch heißen, so gefördert zu werden, dass man mit seinen Qualifikationen auch in Krisenzeiten problemlos an einem anderen Ort arbeiten kann. Um das zu gewährleisten, machen wir unheimlich viel, insbesondere im Bereich der Weiterbildung.“ — Georg Markowski, HR-Chef Dyckerhoff GmbH Stark für Klimaschutz: Stimmen aus der Branche Auch die Branche STEINE | ERDEN | KERAMIK macht sich für eine nachhaltige Entwicklung stark und zeigt somit unternehmerische Verantwortung. Doch „trotz inNachhaltig & zukunftssicher – Attraktiver Arbeitgeber STEINE I ERDEN I KERAMIK | 25 und Fördern der Biodiversität im Betrieb der Steinbrüche. Ressourcenschonung

Wir arbeiten mit den effizientesten Öfen, die es in unserer Industrie gibt. Und wenn zukünftig 20 Prozent des eingesetzten Stroms regenerativ sind, dann ist das mehr als ein Randthema. Wenn wir konkret daran arbeiten, wie wir unsere Brennöfen auf regenerative Brennstoffe umstellen können, dann hat das schon Schlagkraft.“ — Heike Horn, Geschäftsführerin SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG Die Zement- und Betonindustrie [*1] inves- tiert seit Jahren in Technologien und Maßnahmen, um den Erfordernissen der ökologischen, aber auch der sozialen Nachhaltigkeit gerecht zu werden. So betont Christian Knell, Präsident des Vereins Deutscher Zementwerke e. V.: „Wir als Branche in Deutschland übernehmen Verantwortung und sind bereit, unseren Beitrag für eine klimaneutrale Zukunft zu leisten” (VDZ, 2020). Erfolge zeigen sich unter anderem daran, dass sich „in den vergangenen Jahren der Energieverbrauch in der Baustoff-SteineErden-Industrie verglichen mit der Produktion unterproportional entwickelt“ hat (BBS, 2022). So ist die reale Produktion zwischen 2013 und 2020 um knapp 9 Prozent gestiegen, während sich der Energieverbrauch im gleichen Zeitraum unter dem Strich kaum verändert hat (ebd.). Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Unternehmen auf erneuerbare Energie umstellen und ihren CO2-Ausstoß drosseln. „Um CO2 einzusparen, gibt es mehrere Hebel: Effizienz in der Herstellung von Zement und Beton, den Klinkeranteil reduzieren, stärker alternative Brennstoffe mit Biomasseanteil einsetzen und fossile Brennstoffe reduzieren. Und ganz wesentlich: das sogenannte Carbon Cap- ture, Utilization and Storage. Dabei geht es darum, wie wir CO2 speichern und alternativen Nutzungsmöglichkeiten zuführen können.“ — Georg Markowski, HR-Chef Dyckerhoff GmbH „Wir haben viele Betonreststoffe im Unternehmen. Aber auch die alten Pflastersteine von Kunden nehmen wir zurück. Daraus machen wir Recyclingrohstoffe, die im Fertigungsprozess wieder eingesetzt werden. 10 Prozent der Gesamtmenge, also 40.000 Tonnen sind Recyclingrohstoffe. Das nimmt sukzessive zu. Dann haben wir alle Dächer mit Fotovoltaik belegt oder machen das noch. Wir arbeiten mit Geothermie und Rückgewinnung der Prozesswärme in der Fertigung. Und das sind Themen, bei denen die Mitarbeiter immer wieder in Projekte eingebunden werden, informiert werden und Ideen einbringen können.“ — Christian Rinn, Geschäftsführer Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG „Nachhaltigkeit ist sehr wichtig für uns, wir bauen unsere Nachhaltigkeitsstrategie immer weiter aus. Bis 2030 wolsteht im Vordergrund in der Zement- und Betonbranche. Klimaneutrale Zukunft 26 | Was Arbeitnehmern bei der Wahl des Arbeitgebers wichtig ist Christian Rinn, Geschäftsführer Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG, Foto: Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG

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